2020 März Marimuthus kleines neues Haus

Liebe Freunde der Witwen!

Die Zeit vergeht rasend schnell und wieder rückt mein Abschied von Tiruvannamalai und den Witwen näher.

Ich beginne gleich mit den größten Freuden: Wir haben zwei zauberhafte Sozialarbeiterinnen gefunden: Priya war schon letztes Jahr bei uns. Anuscha ist neu. Beide haben ein offenes Herz für unsere Frauen, Respekt, Mitgefühl, perfekte Englischkenntnisse und gute Computerkenntnisse. Wenn sie in ihren schönen Saris im Slum von ihren Motorrollern steigen, ist klar, die Welt kommt in Ordnung.

Über die hilfesuchenden Frauen schreiben sie kurze Reports. Die bedürftigen Witwen mit ihren Kindern werden am Samstagvormittag in unsere Beratungsstelle eingeladen, so dass wir sie und ihre Bedürfnisse kennenlernen. Viele wollen einfach nur Unterstützung für die Ausbildung ihrer Kinder. Eine Grundausstattung bestehend aus Uniform, Schulranzen und Schreibmaterial bewilligen wir immer.

Paulette, meine Freundin, die in den USA für uns Spenden sammelt, hat seit einem Jahr ein Patenkind, dessen Schulbesuch sie fördert. Sie hat einen engen, beglückenden Kontakt mit ihrer Patentochter Kowalya und hat angeregt, diese Möglichkeit allgemein zu eröffnen.

Hier sind die jährlichen Ausbildungskosten für Kinder, die entsprechend ihren Fähigkeiten gefördert werden können:

Government School bis zur 12. Klasse 100 $ = ca. 90 Euro

Privatschule bis zur 12. Klasse 250 $ = ca. 250 Euro

Medizin-Fachschule /2 jährig 300 $ = ca. 280 Euro (Krankenschwester)

Medizin-Fachschule/ 5-jährig 500 $ = ca. 460 Euro (Arzt)

Ingenieurausbildung/ 4-jährig 400 $ = ca. 370 Euro

Mechanik/Polytechnikausbildung/ 2-jährig 300 $ = ca. 280 Euro

(Diese Angaben können sich aufgrund von Kursschwankungen geringfügig ändern.)

Die Übernahme der Ausbildungskosten ist eine große Freude für die Mütter, die oft als Tagelöhnerinnen nur das Nötigste verdienen und daher die Kosten für Schule, Studium, Krankheit oder Hausreparatur nicht tragen können. Bitte meldet Euch, wenn Ihr Lust habt, ein Kind zu fördern. Diese Beziehung wird eine ganz persönliche sein, auch wenn Du nicht zu Besuch kommen kannst. Wir werden uns bemühen, mit Briefen den Kontakt herzustellen.

Mein gerade angenommenes Patenkind heißt Nandini. Sie lebt mit ihrer Mutter im Slum in einer Hütte, wie Ihr sie Euch nicht vorstellen könnt. Beide gehören zur untersten gesellschaftlichen Kaste der Dalits. Hochzeiten finden hier kaum statt, da niemand Geld für die Mitgift hat. Nandinis Mutter wurde vom Vater schon in der Schwangerschaft verlassen. Seitdem halten sich beide mit der Arbeit in der Erdnussfabrik (Lohn 150 Rupien = 2 Euro pro Tag) und dem Straßenverkauf von Erdnüssen über Wasser. Nandini ist sehr intelligent. Sie hat die Schule gut abgeschlossen und das erste Jahr Fernstudium (Pädagogik) mit ihrer Arbeit finanzieren können. Für das zweite, letzte Jahr ihres Lehrerstudiums fehlen ihr jetzt die Mittel. Wie konnte ich da widerstehen? Sie hat ihr 2. Studienjahr inzwischen schon begonnen. Ich weiß nicht mehr, wann mich “Geld ausgeben” so glücklich gemacht hat.

Oft brauchen die jungen Witwen und Kinder auch medizinische Behandlung, die von uns unverzüglich angeordnet und bezahlt wird. Diese Kosten sind ebenso, wie die Kosten für unsere Witwen im Om Shanthi Old Age Home ein Anlass zur Sorge für uns. Da bisher Shanthimalai Ashram die Kosten übernommen hat . Z.B. kosteten 10 Tage Intensivbehandlung im Krankenhaus von unserer Nagapushnam 65.000 Rupien = 830 Euro. Sie hat Asthma und war bewusstlos eingeliefert worden. Diese Kosten sind nicht in unserem Budget planbar. So hoffen wir immer auf Hilfe von lieben SpenderInnen aus Deutschland und aus den USA.

Ein besonders krasser Fall war die Besichtigung der Behausung von Marimuthu und ihren 3 Kindern. Das vierte Kind hatte sie weggegeben, da in der winzigen Hütte kein Platz zum Schlafen für fünf Menschen war. Die Hütte stand in einer Kloake, die oft den Boden überschwemmte. Der Beschluss ihr ein neues, kleines Haus zu bauen, geschah sofort, einstimmig und am gleich Platz. Die Kosten von 3000 Euro gingen fast zeitgleich auf unserem Konto von Aruna Partnership USA ein. Baubeginn war eine Woche später, während ich diesen Bericht schreibe, werden die Bodenfliesen verlegt…….

Ein weiteres freudvolles Erlebnis war die geplante Abholung von Lakshmi, 80 Jahre alt, gesund, mit einer Witwenrente von 1000 Rupien (ca. 15 Euro), wohnhaft in einem kleinen Dorf 20 km entfernt. Ihre Tochter wohnt 4 Std. von ihr entfernt und hatte ihre Einlieferung in unser Om Shanthi Old Age Home  beantragt, da sie sich nicht um ihre Mutter kümmern kann. Kodimali, Anuscha und ich hörten bei unserer Ankunft, dass Lakshmi unterwegs sei, um sich von ihren Freundinnen zu verabschieden. Die Tochter würde sie suchen. Währenddessen verbrachten wir eine gute Zeit mit den freundlichen Nachbarinnen in diesem sehr hübschen Dorf. Wir erfuhren, dass Lakshmi sehr beliebt ist, manchmal selbst kocht und ansonsten von allen Frauen im Dorf gerne versorgt wird. Als die erboste Tochter ihre untergetauchte Mutter endlich anschleppte, war uns sofort klar, dass Lakshmi in ihrem Lebensraum bleiben will und muss. Sie hat vor Freude geweint, als wir ihr sagten, dass wir sie nicht mitnehmen werden, sondern nächstes Jahr vielleicht mal zu Besuch kommen und mit allen Frauen ein kleines Fest feiern. Vielleicht will sie ja dann kommen? Oder auch nicht?

In unserem Om Shanthi Old Age Home ist alles gut. 5 Konzerte haben stattgefunden mit vielen Gästen aus aller Welt. Und es gab wieder ein klassisches, wunderbares Lautenkonzert mit Jonathan aus der Schweiz.

Selvi Kumari hat einen Rückfall erlitten. Sie ist schizophren und muss neu medikamentös eingestellt werden. Dazu ist sie seit einer Woche wieder in der Psychiatrischen Klinik, aus der wir sie vor einem Jahr abgeholt haben. Ein besonderer Dank an den Arzt namens “ Sohn Gottes”, der immer zur Verfügung steht, wenn er gebraucht wird und sie damals 6 Monate kostenlos behandelt hat.

Eine besondere Freude war der tatkräftige Besuch von Anita, einer australischen Akkupunkturärztin. Nach kurzer Zeit lagen viele von uns flach auf der Veranda mit Nadeln gespickt. Ihre zukünftige Niederlassung in Tiruvannamalai würde unsere finanziellen Medizinkosten senken und außerdem die Lust auf Injektionen bei unseren Frauen befriedigen.

Jetzt bleibt mir wieder ein herzliches Dankeschön zu sagen für Eure lieben Spenden, Eure guten Wünsche, Gebete und Euer Interesse! Ohne Eure Unterstützung könnte hier nichts geschehen. Möge die Freude, die wir hier bei unserer Arbeit haben auch in Euch spürbar sein.

Unsere Einladung, uns hier zu besuchen und eine Zeitlang Freude zu tanken bleibt immer bestehen..

Mit herzlichen Grüßen von allen MitarbeiterInnen und Witwen

Anna

Ergänzung von Annette

Ich heiße Anette und bin seit vielen Jahren regelmäßig in Tiruvannamalai und seit März 2019 Vereinsmitglied von OmShanthi e.V.. Zur ersten persönlichen Begegnung mit den Witwen kam es Anfang Dezember im Om Shanthi Old Age Home. Ich wurde mit einem herzlichen Varnakam – dem tamilischen Willkommensgruß empfangen. Die Freundlichkeit dieser traumatisierten Frauen hat mich tief berührt. Im Laufe der nächsten Wochen kamen Ilona, Paulette und andere BesucherInnen dazu und wir verwöhnten die Witwen mit Massagen, Musik und Tanz, mit Brillenpflege, Fingernägel lackieren, Freundschafts-Armbändern, Süßigkeiten, Buntstiften, Ausmalbilder, uvm. Es gab auch sehr innige Momente der Verbundenheit und Anteilnahme. Wenn Frauen über ihr Schicksal sprechen konnten und ihre tief verborgenen Emotionen an die Oberfläche kamen, dann rollten auf beiden Seiten die Tränen und wir umarmten uns. Dieser so berührende und wichtige Austausch war nur durch die Übersetzung von Priya und Anusha möglich, den liebevollen Sozialarbeiterinnen. Wir weinten und wir lachten zusammen. Anna nähte Gardinen und ließ neue Bettlaken anfertigen, zu Pongal erhielt jede Frau traditionell einen neuen Sari.

Die Interviews und Besuche der jungen Witwen waren ebenso berührend. Die Unterstützung der Frauen und ihren Kindern in den Dörfern ist von unschätzbaren Wert und nur durch die unermüdliche Arbeit von OM Shanthi e.V. und Shantimalai Ashram möglich. Da ich schon lange an diesen wundervollen Ort reise, kann ich eine Veränderung im Bewusstsein der Menschen feststellen – dem Ziel von OM Shanthi e. V. Manchmal führen gerade die kleinen Dinge dazu, dass sich kulturelle Dogmen auflösen. Als mich eine tamilische Köchin fragte, ob sie mir gebrauchte Saris für bedürftige Frauen in den Dörfern mitgeben kann, war ich zutiefst beeindruckt. Gern haben wir die Spenden verteilt, aber etwas viel größeres steht dahinter, nämlich, dass die Dorfbewohner das Bedürfnis haben, sich in das Projekt einzubringen und der Witwen-Fluch seine Wirkung verliert. Es geht nicht darum unsere westliche Werte nach Indien zu übertragen, sondern um eine unabhängige und eigenständige Entwicklung der Frauen zu fördern.